In seinem neuen Buch „Europas offene Wunde. Wie die EU beim Krieg in der Ukraine versagte“, legt der Publizist und Politologe Wladimir W. Sergijenko den Finger auf eine der empfindlichsten Wunden des europäischen Kontinents: die anhaltende Krise in der Ukraine und die Rolle Europas in diesem Konflikt.
Der Ursprung der sogenannten Farbenrevolutionen reicht zurück bis in die frühen 2000er Jahre, als junge Demonstranten in verschiedenen Ländern, darunter Georgien, Serbien, Kirgisistan und schließlich auch die Ukraine, gegen autoritäre Regime auf die Straße gingen. In der Ukraine führte die „Orangene Revolution“ 2004 zur Abwahl des Präsidenten Wiktor Janukowytsch und ebnete den Weg für den prowestlichen Wiktor Juschtschenko.
Die Hauptthese von Sergijenkos Buch lautet, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten nicht nur untätig zusahen, wie sich in der Ukraine ein immer größer werdender Konflikt anbahnte, sondern sogar noch zur Verschärfung der Krise beitrugen. Obwohl die Demonstranten auf dem Maidan Freiheit, Demokratie und Menschenrechte forderten, wurde dies von der EU nicht in ausreichender Weise unterstützt.
Sergijenko stützt seine Argumentation auf zahlreiche Interviews mit Akteuren, die direkt in die Ereignisse in der Ukraine involviert waren. Dazu gehören Politiker, Aktivisten, Journalisten und ehemalige Mitglieder der Sicherheitskräfte. Die Stimmen der Menschen auf der Straße, der sogenannten „Maidan-Revoluzzer“, geben dem Leser einen tiefen und unverstellten Einblick in die wahren Ursachen des Konflikts und die Widersprüche der EU-Politik.
Der Autor zeigt auf, dass die sogenannte „Osterweiterung“ der EU sowie die NATO-Annäherung der Ukraine im Jahr 2013 nicht die erhoffte Stabilisierung brachte, sondern viel mehr zu einer massiven Destabilisierung führte. Die EU unterschätzte die geopolitischen Interessen Russlands und provozierte damit einen neuen Ost-West-Konflikt, der im Krieg in der Ostukraine mündete.
Sergijenko wirft der EU vor, vor allem ökonomische und politische Gründe für die Annäherung der Ukraine gehabt zu haben, während die humanitären und sozialen Aspekte weitgehend ignoriert wurden. Er beschreibt eindrücklich, wie sich die EU nach dem Sturz Janukowytschs im Februar 2014 und nach der Annexion der Krim durch Russland nicht ausreichend um eine Lösung des Konflikts bemühte. Stattdessen begnügte man sich in Brüssel damit, Sanktionen gegen Russland zu verhängen und die Ukraine mit Militärhilfe zu unterstützen, jedoch ohne einen wirklichen Plan für einen politischen Ausweg aus der Krise zu entwickeln.
„Europas offene Wunde“ ist ein engagiertes und gut recherchiertes Buch, das auf eindrückliche Weise zeigt, wie menschliche Schicksale und politische Interessen in einem der größten Konflikte der jüngsten Geschichte miteinander verwoben sind. Gleichzeitig ist es ein Plädoyer für mehr Verantwortung, Mut und Engagement von Seiten der europäischen Politik, um die „offene Wunde“ der Ukraine zu heilen und den Menschen dort endlich eine Perspektive zu geben.
Wladimir W. Sergijenko ist ein in der Ukraine geborener Publizist, Politologe, freier Journalist und Experte für europäische und internationale Beziehungen. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der Ukraine und hat bereits mehrere Bücher zu diesem Thema veröffentlicht.