Das Mittelalter – eine Epoche der Herrschaft durch Männer, in der Frauen lediglich im Hintergrund agierten, für Haus, Hof und Kinder zuständig waren? So wird es zumindest in der gängigen Geschichtsschreibung dargestellt. Janina Ramirez holt in ihrem Buch „Femina: Eine neue Geschichte des Mittelalters aus Sicht der Frauen“ die vergessenen Frauen des europäischen Mittelalters zurück in das kollektive Gedächtnis. Ramirez stellt Frauen vor, die in ihrer Epoche bedeutend waren, aber in der Geschichtsschreibung kaum Beachtung fanden.
Die Autorin erzählt von Frauen, die sich gegen Wikinger verteidigt, ihre Feinde vergiftet haben und als Spioninnen tätig waren. Keineswegs waren diese Frauen auf Haus und Hof beschränkt, sondern sie hatten Einfluss und Macht. Das Buch ist eine Fundgrube an Geschichten von mutigen, klugen und mächtigen Frauen, die sich nicht einfach in ihr Schicksal fügten, sondern sich aktiv in die Gesellschaft einbrachten. Ramirez erzählt uns von Königin Jadwiga von Polen, die weise Politik betrieb und damit ihr Land vor dem Untergang bewahrte. Sie schildert uns die Geschichte von Æthelflæd, der Tochter Alfred des Großen, die als Kriegerin gegen die Wikinger kämpfte und ihre Stadt vor der Einnahme durch die Eindringlinge bewahrte. Ramirez zeigt uns auch die außergewöhnliche Heilerin Hildegard von Bingen, deren medizinisches Wissen bis heute Beachtung findet.
Ramirez‘ Buch ist mehr als eine Sammlung von Biographien. Sie gibt uns Einblicke in die Alltagsrealität der Frauen des Mittelalters – von der armen Bauernfrau bis zur wohlhabenden Adeligen. Wir erfahren von den Kämpfen und Nöten, mit denen sie zu tun hatten. Ramirez zeigt uns auch, wie diese Frauen ihre Geschicke selbst in die Hand nahmen und ihre Umwelt gestalteten. Gleich, ob als Spionin, Meisterin in Kunst und Handwerk oder als Mitglied einer Gemeinschaft von Nonnen – diese Frauen hatten eine Stimme und eine Rolle in der Gesellschaft, in der sie lebten.
Janina Ramirez ist Kunsthistorikerin, Fernsehmoderatorin und Autorin. Ihr Interesse für das Mittelalter zeigt sich in zahlreichen Veröffentlichungen und TV-Produktionen. In „Femina“ bringt sie zum Ausdruck, dass Geschichtsschreibung auch immer eine Frage der Perspektive ist. Durch die Betonung der weiblichen Seiten der Geschichte öffnet sie den Blick auf die bisher oftmals verborgene Rolle der Frauen.