In seinem Buch „Kissingers langer Schatten: Amerikas umstrittenster Staatsmann und sein Erbe“ legt der Autor Greg Grandin eine profunde Untersuchung des Lebens und Vermächtnisses von Henry Kissinger vor. Grandin bietet eine durchdringende Analyse der Karriere des Staatsmannes, der Nationaler Sicherheitsberater und Außenminister unter den Präsidenten Nixon und Ford war.
Grandin zeichnet Kissingers Lebensweg vom deutsch-jüdischen Flüchtling zum Harvard-Professor und Berater des Weißen Hauses nach. Er beschreibt die intellektuellen Grundlagen, die seine Weltanschauung prägten, darunter Immanuel Kant und Friedrich Nietzsche und er analysiert, wie diese Ideen Kissingers politischen Entscheidungen beeinflußten.
Zunächst gibt Grandin einen Überblick über Kissingers Aufstieg zur Macht während des Kalten Krieges. Er skizziert, wie sein Ehrgeiz durch eine Besessenheit von militärischer Macht angeheizt wurde, was ihm den Beinamen „Amerikas Metternich“ einbrachte. Wie Grandin detailliert darlegt, verfolgte Kissinger eine Reihe von außenpolitischen Initiativen, die die USA oft in Konflikt mit ihren Verbündeten oder in direkten Konflikt mit ihren Feinden brachten. Grandin konzentriert sich auf drei Bereiche der Außenpolitik: Vietnam, Chile und den Nahe Osten. In jedem Fall zeigt er, wie Kissingers Entscheidungen zu mehr Konflikten und Leid führten als zuvor und welche weitreichenden Auswirkungen Kissingers verdeckte Operationen bis heute haben, von Kambodscha bis Libyen.
Für Kissinger war Krieg ein Instrument der Staatskunst, und er war bereit, internationale Gesetze zu brechen, um seine Ziele zu erreichen – wie bei der Operation Condor in Lateinamerika oder den geheimen Bombardierungen in Kambodscha. Grandin schildert detailliert diese Operationen und ihre verheerenden menschlichen Kosten, die im Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende im Jahr 1973 gipfelten. Er dokumentiert, wie die USA ihre wirtschaftliche Macht einsetzten, um Allendes Regierung zu destabilisieren, wobei sie behaupteten, sie handelten im Namen der Demokratie, während sie in Wirklichkeit die Interessen von US-Unternehmen schützten.
„Kissingers langer Schatten“ ist eine klare Anklage gegen die US-Außenpolitik der letzten fünfzig Jahre, aber auch eine subtile Erkundung der Realpolitik selbst. Das Buch liefert ein überzeugendes Argument dafür, dass die US-Außenpolitik seit den Tagen Kissingers immer militaristischer geworden ist – vom Irak über Syrien bis nach Afghanistan – und dass dieser Wandel weitgehend auf seinen Einfluss auf die nachfolgenden Regierungen zurückzuführen ist. Grandin ist der Ansicht, dass wir auch heute noch mit dem Erbe des Kissingerschen Realismus leben; in der Tat teilen viele aktuelle Politiker seine Sichtweise auf internationale Angelegenheiten, einschließlich Donald Trump.
Granden beschreibt, wie die politischen Strategien eine Ausweitung der militärischen Macht der USA im Ausland ermöglichten, während sie gleichzeitig die bürgerlichen Freiheiten im Inland aushöhlten. Er untersucht auch, wie Kissingers militaristischer Ansatz in der Außenpolitik das verewigt hat, was Grandin als „imperiales, rechtes Amerika“ bezeichnet; ein Amerika, das zunehmend durch Krieg, Überwachung und Hegemonie statt durch Diplomatie und Kooperation definiert wird. Dabei argumentiert Granden, dass Kissinger für seine Handlungen sowohl im Inland als auch auf internationaler Ebene zur Rechenschaft gezogen werden muss.
Greg Granden ist Professor für Geschichte an der New York University, wo er lateinamerikanische Geschichte, amerikanisch-lateinamerikanische Beziehungen, Grenzstudien und Imperialismusstudien unterrichtet. Er ist außerdem Autor mehrerer Bücher über die imperiale Politik der USA in aller Welt.
Durch seine jahrelangen Recherchen zu diesen Themen hat sich Granden als einer der kenntnisreichsten Experten für den heutigen US-Imperialismus etabliert.