In seinem Buch „Unbedingt Musik“ gewährt Michael Gielen tiefe Einblicke in sein bewegtes Leben und seine Karriere als Dirigent. Der gebürtige Dresdner zählt zweifellos zu den bedeutendsten Orchesterleitern des 20. Jahrhunderts und hat Musikgeschichte geschrieben. Er arbeitete an zahlreichen Konzert- und Opernhäusern rund um den Globus, darunter die Wiener Staatsoper, die New Yorker Metropolitan Opera oder das London Symphony Orchestra. Dabei dirigierte er die namhaftesten Orchester und spielte mit den Größen der klassischen Musikwelt zusammen.
Gielen war jedoch nie ein einfacher oder gar angepasster Dirigent. Er verstand sich als Unbeugsamer, als Provokateur, als Herausforderer. Denn für ihn war Musik nie nur „Beruhigungsmittel“, sondern vielmehr ein Mittel zur Reflexion, zur kritischen Auseinandersetzung und zum Ausdruck persönlicher Haltung. Mit seiner unerschrockenen Art hat er die Musikwelt revolutioniert und zum Nachdenken angeregt.
In seinem Buch reflektiert Gielen über seine Arbeitsweise, seine Ansprüche und seine Überzeugungen. Dabei zeigt er sich als ein Mann, der stets bis an seine Grenzen geht und dabei nichts dem Zufall überlässt. Seine präzise und akribische Arbeitsweise wird schnell deutlich, wenn er über seine Probenarbeit mit einem Orchester berichtet. Jeder einzelne Ton wird von ihm kontrolliert und geformt, bis er die gewünschte Wirkung auf den Hörer erzielt.
Ein weiterer Schwerpunkt des Buchs ist die Oper Frankfurt, die unter Gielen zu einem der wichtigsten Opernhäuser Europas wurde. Hier widmet er sich ausführlich seiner Arbeit als musikalischer Direktor und zeigt auf, wie er das Haus maßgeblich mitgeprägt hat. Besonders beeindruckend sind dabei seine Erinnerungen an die gemeinsame Arbeit mit Regisseuren wie Ruth Berghaus und Peter Konwitschny. Gielen versteht die Oper als Gesamtkunstwerk, bei dem Musik, Text und Inszenierung eine Einheit bilden müssen. So hat er sich stets für eine zeitgemäße, kritische und experimentelle Opernproduktion eingesetzt, die das Publikum zum Nachdenken anregt.
Neben seiner Karriere als Dirigent lässt Gielen in „Unbedingt Musik“ aber auch sein privates Leben Revue passieren. Er erinnert sich an seine Kindheit in Dresden, die von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs überschattet wurde, und berichtet über seine persönlichen Beziehungen zu Größen wie Thomas Mann oder Pierre Boulez. Dabei zeigt er sich als ein Mann von großer Bildung und Weltläufigkeit, der das Leben und die Kunst in all ihrer Vielfalt zu schätzen weiß.
Insgesamt bietet „Unbedingt Musik“ eine faszinierende und tiefgründige Lebensbilanz eines Mannes, der die Musikwelt nachhaltig geprägt hat. Gielen zeigt sich als ein Dirigent von großer Intelligenz, Sensibilität und profundem Wissen, der sich stets für eine zeitgemäße und kritische Auseinandersetzung mit der Musik eingesetzt hat. Sein Buch ist ein absolutes Muss für alle Liebhaber klassischer Musik und für alle, die sich für die Persönlichkeit hinter einem großen Künstler interessieren.
Michael Gielen ist im Jahr 2019 im Alter von 91 Jahren verstorben. Mit seinem Tod hat die Musikwelt einen ihrer bedeutendsten Vertreter verloren. Doch seine Musik und sein Andenken werden uns auch weiterhin begleiten.