Der Einfluss von Joachim von Ribbentrop auf die deutsche Außenpolitik zwischen 1933 und 1945 ist ein Thema, das vielen Historikern Rätsel aufgibt. War er schlicht ein Opportunist, der sich dem nationalsozialistischen Regime anpasste, um an Macht und Ruhm zu gelangen, oder hatte er tiefergehende Überzeugungen, die seine Loyalität gegenüber Hitler und dessen Kreis rechtfertigten?
Diese Fragen behandelt Stefan Scheil in dem Buch „Ribbentrop. Oder: Die Verlockung des nationalen Aufbruchs. Eine politische Biographie.“ ausführlich. Der Historiker Scheil, der sich bereits mit verschiedenen Aspekten der deutschen Geschichte beschäftigt hat, bietet in diesem Werk eine detaillierte Darstellung von Ribbentrops Karriere und Persönlichkeit. Dabei gelingt es ihm, eine klare Linie zwischen den verschiedenen Phasen des politischen Aufstiegs des Mannes zu ziehen, der als Großhandelskaufmann begann und schließlich als Außenminister des Deutschen Reiches endete.
Besonders die frühe Karriere Ribbentrops liegt im Fokus. Scheil beschreibt die Kontakte des jungen Kaufmanns zu verschiedenen politischen Gruppierungen in der Weimarer Republik, darunter auch zu nationalsozialistischen Kreisen. Diese Kontakte deuten auf eine langfristige Sympathie für die Ideen des Nationalsozialismus hin, die Ribbentrop später in seiner politischen Arbeit zum Ausdruck brachte.
Ein weiterer Schwerpunkt des Buches liegt auf Ribbentrops außenpolitischer Tätigkeit. Scheil analysiert die Verhandlungen und Abkommen, in die Ribbentrop als Botschafter und später als Außenminister involviert war, und zeigt, wie diese die nationalsozialistische Ideologie und die Vorstellung eines großdeutschen Nationalstaats beförderten. Hier wird deutlich, dass Ribbentrops Rolle in der deutschen Außenpolitik weitreichender war, als oft angenommen wird.
In der psychologischen Analyse von Ribbentrops Persönlichkeit zeigt Scheil auf, dass Ribbentrop nicht nur ein opportunistischer Karrierist war, sondern tiefergehende Überzeugungen hatte, die seine Loyalität gegenüber dem nationalsozialistischen Regime erklären. Hier tritt ein Mann hervor, der nach dem Ersten Weltkrieg bereit war, jede politische Bewegung zu unterstützen, die er als Chance für eine Wiederherstellung der deutschen Macht ansah. Das führte dazu, das Ribbetrop in der nationalsozialistischen Bewegung eine Perspektive für einen nationalen Aufbruch sah, was ihm schließlich den Weg ebnete, zu einem engen Vertrauten Hitlers aufzusteigen.
Scheils Darstellung ist akribisch recherchiert und bietet eine breite Palette an Informationen über die politische, historische und psychologische Entwicklung Ribbentrops. In diesem Buch zeigt Scheil einmal mehr seine Fähigkeit, komplexe historische Zusammenhänge zu analysieren und in zugänglicher Form zu präsentieren.
Stefan Scheil, geboren 1963, studierte Geschichte und Philosophie in Mannheim und Karlsruhe und dissertierte über den parteipolitischen Antisemitismus zwischen 1881 und 1912. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zur Neueren deutschen Geschichte. Scheil ist freier Mitarbeiter u.a. für die Junge Freiheit und die Frankfurter Allgemeine, sowie Vorstand der Erich und Erna-Kronauer-Stiftung.