Michail Gorbatschow gilt als einer der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts. Mit seiner Politik der Perestrojka (Umstrukturierung), Glasnost (Offenheit) und des Neuen Denkens prägte er das Weltgeschehen der späten 1980er und frühen 1990er Jahre nachhaltig. Der ungarische Schriftsteller György Dalos hat mit seinem Buch „Gorbatschow – Mensch und Macht“ eine faszinierende Biografie geschrieben, die Einblick in das Leben und Wirken des letzten Staatspräsidenten der Sowjetunion gibt.
Dalos beschreibt in seinem Buch die Entwicklung Gorbatschows vom Bauernsohn aus dem Nordkaukasus zum Generalsekretär der KPdSU und schließlich zum wohl einflussreichsten Politiker seiner Zeit. Seine Reformen führten zur Demokratisierung des Staates und letztendlich zum Zusammenbruch des kommunistischen Regimes. Der Autor betont dabei immer wieder, dass Gorbatschow trotz seines revolutionären Einflusses eine umstrittene Figur bleibt.
Dalos zeigt, wie angesichts der repressiven Politik des herrschenden KPdSU-Regimes sowie der wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Sowjetunion Gorbatschows Ideen von Perestrojka und Glasnost reiften. Diese neuen Konzepte sollten dazu beitragen, das politische System zu reformieren, die Wirtschaft zu modernisieren und die Beziehungen zu den USA zu verbessern – ein Vorhaben, das nicht ganz reibungslos verlief.
Die Perestrojka wird als die größte Reformperiode der sowjetischen Geschichte beschrieben, die sich auf die Sozialpolitik, die Wirtschaft und die Außenpolitik auswirkte. Glasnost, die Freiheit der Rede, die Öffnung der Medien und die Freiheit der Meinungsäußerung stießen auf Kritik, aber auch auf wachsende Unterstützung. Gorbatschows Friedensinitiativen, wie der INF-Vertrag zwischen den USA und der Sowjetunion, die für die Beseitigung aller Mittelstreckenraketen in Europa sorgten, fanden internationale Anerkennung. Doch der wirtschaftliche und politische Niedergang der Sowjetunion war bereits eingeläutet und führte letztendlich zum Zusammenbruch des Regimes.
Dalos zeichnet ein facettenreiches Bild von Gorbatschow, das weit über das politische Geschehen hinausgeht. Er beschreibt den Menschen Gorbatschow, seinen Umgang mit Herausforderungen und wie Erziehung und Lebenserfahrungen seine Persönlichkeit geformt haben. Auch die Beziehungen zu seiner Frau Raissa und seinen Mitstreitern – darunter Boris Jelzin und Eduard Schewardnadse – werden eingehend betrachtet.
Besonders interessant sind auch die Schilderungen von Gorbatschows letzten Jahren an der Macht und seinem Sturz im Zuge des Augustputsches von 1991. Hier zeigt sich, wie brüchig die Position des Generalsekretärs zu diesem Zeitpunkt bereits war und wie sehr er mit seiner Politik der Perestrojka aneckte. Einige Schriftsteller und Politiker, nicht zuletzt Wladimir Putin, werfen Gorbatschow bis heute vor, er hätte zu wenig dafür getan, das sowjetische Imperium zu retten.
Dalos gelingt es in seinem Buch, Gorbatschows komplexe Persönlichkeit und politische Beweggründe darzustellen. Es ist keine einfache Aufgabe, eine solche Biographie zu schreiben, denn es gibt viele unterschiedliche Meinungen und Interpretationen, was Gorbatschows politisches Handeln betrifft. Doch Dalos meistert diese Herausforderung und präsentiert dem Leser ein fesselndes Porträt eines der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts.
György Dalos, geboren 1943 in Budapest, ist Autor und Historiker. Seine literarischen Werke beschäftigen sich meist mit der Geschichte vor allem Osteuropas und mit dem Kalten Krieg.