Alfred Herrhausen war eine der herausragendsten Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft und Politik der 1980er-Jahre. Als Manager und Vorstandssprecher der Deutschen Bank trieb er den Aufstieg des Instituts zu einer globalen Größe im Finanzsektor voran. Doch seine Karriere wurde jäh gestoppt, als er am 30. November 1989 bei einem Attentat in Bad Homburg ums Leben kam.
Die Biographie „Herrhausen: Banker, Querdenker, Global Player – Ein deutsches Leben“ von Friederike Sattler zeichnet den eindrucksvollen Werdegang dieses außergewöhnlichen Mannes nach und widmet sich auch der Frage nach seiner Verantwortung für die aktuellen Probleme der Deutschen Bank.
Als Quereinsteiger machte Herrhausen Karriere bei der Deutschen Bank und stieg schnell zum Vorstandsmitglied auf. Er galt als Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Bankern und war bekannt als brillanter Denker, Redner und Manager. Herrhausen war ein Mann von hohen Ansprüchen und Visionen, der seiner Zeit oft weit voraus war. Bereits in den 1980er-Jahren war er sich bewusst, dass die Globalisierung die Welt verändern würde und dass Unternehmen Verantwortung für gesellschaftliche Probleme übernehmen müssen. Herrhausen agierte als Initiator von nationalen wie auch internationalen Projekten. Er scheute er sich nicht, auch unbequeme Positionen zu vertreten, wie etwa mit seiner Kritik an der Europäischen Währungsunion in den 70er Jahren. Er setzte sich für den Schuldenerlass für hoch verschuldete Entwicklungsländern ein, eine Position, mit der er in der Finanzwelt auf großen Widerstand stieß.
Friederike Sattler geht in ihrer Biographie auch auf die Herkunft Herrhausens und dessen Erziehung an einer NS-Eliteschule ein. So wurden bei ihm frühzeitig eine tiefe Bindung an das Rheinland und an den deutschen Kapitalismus geprägt. Diese Erfahrungen sollten sein späteres Wirken in der Wirtschaft beeinflussen.
Sattler verschweigt auch nicht die umstrittenen Seiten von Herrhausens Karriere. So war er zwar ein wichtiger Treiber der Globalisierung, aber auch einer der Architekten des Deregulierungswahns in den 1980er- und 1990er-Jahren, der letztendlich zur Finanzkrise von 2008 geführt hat. Besonderes Augenmerk legt Sattler auf die Frage nach der Verantwortung Herrhausens für die aktuellen Probleme der Deutschen Bank. Diese hat in den letzten Jahren mit Affären und Skandalen wie dem Libor-Skandal und den Cum-Ex-Geschäften für Aufsehen gesorgt. Sattler zeigt in ihrem Buch, dass Herrhausen ein Projekt vorantrieb, das später zu einem großen Teil zur Umstrukturierung der Deutschen Bank führte. Diese Umstrukturierung beinhaltete eine Hinwendung zum Investmentbanking sowie eine Internationalisierung der Geschäftstätigkeit. Diese Schritte waren jedoch auch mit großen Risiken verbunden und haben dazu beigetragen, dass die Deutsche Bank heute mit Problemen zu kämpfen hat.
Die Biographie von Friederike Sattler zeichnet sich durch eine umfassende Recherche und eine differenzierte Darstellung aus. Sattler zeigt dabei nicht nur die Karriere des Bankers, sondern auch seine Persönlichkeit, seine Werte und sein Engagement für gesellschaftliche Themen.
Friederike Sattler, geboren 1968, ist promovierte Historikerin und lebt in Berlin. Sie ist als Autorin und Journalistin tätig und hat zuvor bereits mehrere Sach- und Fachbücher veröffentlicht.