Leonid Breschnew war von 1964 bis 1982 der Vorsitzende der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und hat das Land fast zwei Jahrzehnte lang geprägt. Im Westen wurde er oft als Hardliner und Re-Stalinisierer dargestellt, aber war er das wirklich? Oder war er ein Mann, der in einer schwierigen Zeit versucht hat, sein Land in eine gute Zukunft zu führen? Diese Fragen beantwortet die Osteuropahistorikerin Susanne Schattenberg in ihrer Biographie „Leonid Breschnew: Staatsmann und Schauspieler im Schatten Stalins“.
Die Autorin hat für diese Biographie zahlreiche bislang nicht zugängliche Quellen benutzt, um das Leben und Wirken von Breschnew möglichst umfassend zu schildern. Dabei ist ihr die Balance zwischen persönlicher Biographie, Politikgeschichte und Zeitgeschichte gelungen. Die Leserinnen und Leser erfahren viel über die politischen Entwicklungen in der Sowjetunion, aber auch über die persönlichen Schwierigkeiten, die Breschnew in seinem Leben hatte.
Schon früh hatte Breschnew den Wunsch, Politiker zu werden und sich für die Interessen seines Landes zu engagieren. Nach dem Krieg, der ihn sehr prägte, trat er in die Kommunistische Partei ein und arbeitete sich langsam nach oben. Schattenberg beschreibt, wie Breschnew in den 1950er Jahren unter Stalin gelitten hatte und nach dessen Tod versuchte, das Land auf den Weg zu einem Wohlstand für alle zu bringen.
Eine große Rolle spielte Breschnew in der Entspannungspolitik während der 1970er Jahre. Er suchte den Ausgleich mit dem Westen, unterhielt gute Beziehungen zu westlichen Staatschefs, wie Georges Pompidou, Willy Brandt oder Richard Nixon, und hielt Reden über die Wichtigkeit des Friedens. Doch Schattenberg zeigt auch, dass es im Kreml keinen politischen Kurswechsel gab und dass das politische System der Sowjetunion nach wie vor von Korruption und Bürokratie geprägt war.
Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan im Jahr 1979 geriet Breschnew immer mehr unter Druck und scheitete schließlich an seinem eigenen politischen Kurs. Der Einmarsch war eine Entscheidung des Politbüros, an der Breschnew nicht beteiligt war. Schattenberg zeigt, wie sehr dieser Schritt Breschnews Friedensbemühungen ruinierte und wie sehr er darunter litt. Aufgrund von Stress und Schlaflosigkeit geriet er in eine Tablettensucht. Der Einmarsch in Afghanistan war ein schwerer Fehler und sorgte für einen Rückschlag in der Entspannungspolitik.
Schattenberg zeigt, dass Breschnew kein einfacher Mann war, sondern ein Mensch, der in seiner Zeit, versuchte, das Beste für sein Land zu tun. Auch wenn er nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen hat, verdient er Respekt für seine Bemühungen, die Sowjetunion auf den Weg in eine bessere Zukunft zu bringen.
Susanne Schattenberg, geboren 1969 in Hamburg, ist eine deutsche Historikerin und Direktorin der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. In ihrer Forschungsarbeit befasst sie sich vor allem mit der Geschichte der Sowjetunion und hat dazu bereits mehrere Bücher geschrieben.