Willy Brandt zählt zweifelsohne zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler prägte er die politische Landschaft maßgeblich mit und erhielt 1971 für seine Verdienste um die Versöhnung mit Polen und den anderen Ostblockstaaten den Friedensnobelpreis. Doch wer war der Mann hinter diesen großen Leistungen? Um das herauszufinden lohnt sich, abseits der üblichen Biographien ein Blick auf Brandts persönlichstes Buch – „Links und frei. Mein Weg 1930-1950“.
Brandts Geschichte spiegelt die politische und moralische Verwerfung wider, die Deutschland in den Jahren vor und nach dem Zweiten Weltkrieg durchlief. Die Autobiographie des SPD-Politikers, die bereits 1982 erschien, bietet Einblicke in seine frühen Jahre, die Formung seiner politischen Überzeugungen und seine beginnende Karriere.
„Links und frei“ ist ein außergewöhnlich bewegendes Buch. Die Erzählung setzt ein mit Brandts Jugendzeit in Lübeck. Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter war er früh auf sich selbst gestellt und musste sich seinen Weg durchs Leben erkämpfen. Bereits hier wird deutlich, dass Brandt sich durch seine politische Überzeugung stark mit dem Schicksal der Arbeiterschaft identifiziert. Als Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend und später des Sozialistischen Schülerbundes sammelte er erste politische Erfahrungen und setzte sich für die Belange der Arbeiterklasse ein.
Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten nimmt das Buch eine dramatische Wendung. Brandt wird aufgrund seiner politischen Betätigung gezwungen, ins skandinavische Exil zu gehen, wo er seine Arbeit fortsetzt. Die Erfahrungen aus dieser Zeit prägten das politische Verständnis Brandts und seine Entschlossenheit, für eine bessere Welt zu kämpfen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland übernahm er Verantwortung in der SPD und setzte sich aktiv für die Umsetzung seiner Ideale ein. Als Bürgermeister von Berlin bewies er Mut und entschlossenes Handeln, als er sich entschieden gegen den Bau der Mauer einsetzte und für die Freiheit der Berliner demonstrierte.
Das Buch zeugt von Brandts politischem Engagement, seiner moralischen Integrität und seinem Mut, für seine Überzeugungen einzutreten. Es bietet einen faszinierenden Einblick in einen wichtigen Abschnitt deutscher Geschichte und zeigt auf, wie Grundüberzeugungen entstanden, die das Leben eines großen Staatsmanns prägten. In „Links und frei“ begegnen wir einem Mann, der mit seiner Geschichte und den Überzeugungen, die daraus erwachsen sind, viele nachhaltig inspiriert hat. Wer dieses Buch liest, kann verstehen, warum Willy Brandt in Deutschland und darüber hinaus als eine der markantesten politischen Gestalten des 20. Jahrhunderts gilt.