In der schier unendlichen Weite der russischen Wildnis, wo Kälte und Schnee das Leben der Menschen prägen, entführt uns Katherine Arden in ihrem vielversprechenden Debütroman „Der Bär und die Nachtigall“, dem ersten Teil der „Winternacht“-Trilogie, in eine mystische Welt voller Magie und uralter Traditionen. Die Autorin vermischt gekonnt russische Folklore und slawische Mythen, um die Geschichte der jungen Vasja zu erzählen, die unter der strengen Sicht ihres Vaters aufwächst und dennoch den Geistern der Natur nahe ist. Die bildreiche Sprache entführt die Leser ebenso wie die kleine Heldin in eine Welt, in der sie das wechselvolle Spiel der Jahreszeiten und die Machtkämpfe im Haus des Grundbesitzers nacherleben können.
Die Erzählungen der alten Dienerin Dunja über unerreichbare Magie und mythische Kreaturen stellen für Vasja mehr als bloße Phantasien dar, sie verleihen dem Geschehen eine unglaubliche Intensität, welche die Leser die winterliche Wildnis spüren lassen. Als einzige im Dorf vermag Vasja neue Geisterwelten zu entdecken und die uralten Naturgeister zu sehen, die ihre Heimat zu schützen suchen.
Vasja ist keine gewöhnliche Heldin, sie gehört zu jener Sorte von Protagonisten, die wilde Energie und ein ungezähmtes Temperament besitzen, das sich keinen Regeln beugt. Sie steht für ein inneres Feuer, das die winterliche Kälte zu besiegen vermag, ebenso wie das Mädchen selbst gegen die Kräfte der finsteren Magie ankämpfen muss. Ihre große Stärke liegt in ihrer Fähigkeit, über das alltägliche Geschehen hinausblicken zu können und den wahren Wert der uralten Weisheiten und Märchen zu erkennen.
Katherine Arden versteht es, ihre Geschichte gekonnt in eine historisch glaubwürdige und stimmige Kulisse einzubetten. Dabei gelingt es ihr vortrefflich, die unterschiedlichen Welten, die menschliche und die magische, miteinander zu verbinden, so dass sich die Ereignisse fließend entfalten können. Längst vergessene Wesen, wie der furchteinflößende Winterkönig, treten neben Dorfbewohner und Adlige, und verleihen dem Roman einen unvergleichlichen Zauber.
Die märchenhafte Kulisse und die tief in der russischen Kultur verwurzelten Mythen wecken nicht nur Neugier, sondern stoßen auch auf großes Interesse bei den Lesern. Es ist die gelungene Balance aus Erzählkraft, Liebe zum Detail und lebendigen Charakteren, die „Der Bär und die Nachtigall“ zu einem faszinierenden Roman über Freiheit, Mut und das Erwachen eines beinahe verlorenen Gespürs für Schönheit werden lässt.
Katherine Arden, die Autorin dieses fesselnden Romans, ist in Austin, Texas geboren, wo sie auch aufwuchs. Ihr Interesse für die russische Kultur wurde geweckt, als sie als Studentin ein Jahr in Moskau verbrachte. Um sich ein authentisches Bild der historischen und kulturellen Gegebenheiten ihrer Geschichte zu schaffen, recherchierte sie intensiv und unternahm mehrere Reisen nach Russland. Dieses Bemühen um Authentizität zeigt sich in ihrem Debüt „Der Bär und die Nachtigall“, einer aufregenden Reise durch eine fremde Welt voller Magie und Faszination, die die Leser auf den nächsten Band ihrer „Winternacht“-Trilogie gespannt sein lässt.
Mit „Der Bär und die Nachtigall“ ist Katherine Arden ein fulminanter Einstieg in die Welt der Literatur gelungen, der nicht nur Liebhaber von düsteren Märchen und russischer Folklore begeistern wird. Dieses Buch nimmt seine Leser mit auf eine Reise in die endlose Weite der russischen Wildnis, wo sich das Schicksal einer jungen Heldin auf beeindruckende Weise entfaltet.