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Wir sind dann wohl die Angehörigen von Johann Scheerer

by BuecherFuchs

„Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Johann Scheerer ist ein packender, tief bewegender Bericht über die Erfahrungen einer deutschen Familie während der Entführung ihres Vaters im Jahr 1996. In seinem Buch erzählt Scheerer in lebendigen Details von den Tagen und Nächten der Hilflosigkeit, der Angst und der Monotonie, als seine Familie auf Neuigkeiten über das Schicksal seines Vaters wartete.

Die Erzählung folgt der Familie Reemtsma bei der Bewältigung der Entführung von Jan Philipp Reemtsma und begleitet die Leserinnen und Leser durch jeden Tag, der vergeht, bis er schließlich 33 Tage später freigelassen wird. Wir erhalten ein intimes Porträt der Familiendynamik während dieser schwierigen Zeit – wie sie versuchen, sich die Zeit zu vertreiben, bis die Neuigkeiten eintreffen. Wie sie einander unterstützen, wenn das Leben auf Eis zu liegen scheint und wie sie mit der Aufmerksamkeit der Medien und der Polizeipräsenz rund um ihr Haus umgehen.

Scheerers Stil ist sorgfältig ausgearbeitet – wir haben das Gefühl, mitten unter den Charakteren zu leben – aber er ist nie pedantisch oder übermäßig sentimental. Mit Kraft und Klarheit vermittelt er nicht nur die Erfahrung, ein traumatisches Ereignis mitzuerleben, sondern auch die Auswirkungen auf die Menschen um ihn herum.

Die Schönheit dieses Buches liegt nicht nur in seiner dramatischen Prämisse, sondern auch in seiner Fähigkeit, Momente der Anmut und Zärtlichkeit einzufangen, trotz einer so unerträglich schwierigen Erfahrung. Im Laufe der Geschichte blitzt immer wieder auf, was es bedeutet, so einschneidende Ereignisse zu erleben: Momente, die uns für immer in Erinnerung bleiben, auch wenn unser Leben danach wieder normal verläuft. Für alle, die von einem Trauma oder einer Tragödie betroffen sind und vielleicht befürchten, dass ihre Geschichten nie gehört oder verstanden werden – „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ zeigt, dass es Kraft gibt, sie zu teilen.

Johann Scheerer wurde 1977 in Hamburg geboren und studierte Philosophie an der Universität Konstanz, bevor er als freier Autor für verschiedene Publikationen wie die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und Der Spiegel arbeitete. Er hat bisher zwei Romane veröffentlicht: „Mit uns unter Wölfen“ (2013), der von seinen Erfahrungen erzählt, unter Menschen zu leben, nachdem er unter Wölfen aufgewachsen ist, und „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ (2020), der vom Leben in einem Entführungsfall aus der Perspektive eines Kindes handelt, das keine andere Wahl hatte, als zuzusehen, was um es herum geschah, ohne etwas dagegen tun zu können. Derzeit lebt er mit seiner Frau und seinen drei Söhnen in Berlin.

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