„45 Sekunden. Meine Leidenschaft fürs Turnen – und warum es nicht alles im Leben ist“ von Kim Bui und Andreas Matlé ist ein Buch, das die Leser*innen in eine Welt voller Schmerzen, Tränen und Entbehrungen entführt. Das Buch liefert zugleich eine Botschaft, die besagt, dass es weit mehr im Leben gibt als herausragende sportliche Leistungen. Kim Bui, eine ehemalige Olympiateilnehmerin und deutsche Athletensprecherin, legt in ihrem Buch ihre Wunden offen und beschreibt ihre Karriere als Turmsportlerin, die von schwesterlichen Beziehungen, unvergleichlicher Willenskraft und Leidenschaft geprägt war.
Bui beschreibt eindringlich den täglichen Trainingsalltag eines Turmsportlers, der auf Wettkämpfe ausgerichtet ist, die nur 45 Sekunden dauern. Diese kraftvollen 45 Sekunden können das Ergebnis von Jahren harter Arbeit sein, die dazu führen, dass die Turner*innen oft Schmerzen erleiden und sich selbst stark einschränken müssen. Ein Beispiel dafür ist die Bulimie, die Bui jahrelang litt, um das Wettkampfgewicht aufrechtzuerhalten.
Das Buch ist aber nicht nur ein offener Bericht über den Wettkampfdruck beim Turnen, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit ernsten Themen wie Sexualisierung, seelischem Missbrauch und Essstörungen. Bui setzt sich dafür ein, dass die Gesellschaft Leistungen im Sport nicht nur auf den olympischen Medaillenwert reduziert, sondern sie auch für andere wertvolle Erfahrungen und Einstellungen schätzt.
In dem Buch geht Bui auch auf die finanziellen Herausforderungen als Spitzenathletin ein. Sie beschreibt, wie sie trotz hoher sportlicher Leistungen und Olympiateilnahme in bescheidenen wirtschaftlichen Bedingungen leben musste und sich parallel auch um ihre professionelle Ausbildung kümmern musste. Bui betont, dass das Leben eines Athleten ein Kampf um finanzielle Unterstützung und Würdigung ist und dass Athleten oft nicht in der Lage sind, soziale Verpflichtungen und Karrierewünsche zu vereinen.
In „45 Sekunden“ teilt Bui tiefgreifende Einsichten über ihre Entwicklungen und Perspektiven als Athletin. Sie schildert auch Situationen, in denen sie an sich selbst zweifelte und Zukunftsängste hatte. Das Buch enthält deshalb auch eine Botschaft zur Selbstmotivation und dazu, wie man Vertrauen und Stärke auch in schwierigen Zeiten aufrechterhält.
Andreas Matlé, der Koautor von Bui, war ebenfalls erfolgreicher Turmer und als Trainer und Turnfachmann tätig. Seine Erfahrung in der Welt des Turnens und in deren Praxis sind wertvolle Beiträge zum Buch. Das Buch ist eine Offenlegung der innersten Gedanken und Erfahrungen von Kim Bui aus erster Hand, die von Matlés Fachkenntnissen und geschicktem Schreiben ergänzt wird.
Insgesamt ist „45 Sekunden. Meine Leidenschaft fürs Turnen – und warum es nicht alles im Leben ist“ von Kim Bui und Andreas Matlé ein bemerkenswertes Buch. Es ist eine authentische und bewegende Reflexion über die Herausforderungen und Chancen, die der Spitzensport bietet. Dabei geht es nicht nur um Turnen, sondern um alle Sportarten, die ein hohes Maß an Willenskraft und Hingabe erfordern. In einer Zeit, in der wir uns auf technische, virtuelle und wissenschaftsbasierte Fortschritte konzentrieren, ist das Buch eine Hinwendung zur menschlichen Seite des Sports. Die Leser*innen erhalten einen Einblick in das Leben und die Gedanken einer Olympia-Turnerin, die ihre Karriere auf einen höheren Zweck ausrichten möchte.