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Eine Frau von Annie Ernaux

by BuecherKatze

Annie Ernauxs „Eine Frau“ ist ein kurzer, intensiver Text, der der 1986 verstorbenen Mutter der Autorin gewidmet ist. Meisterhaft verwebt die Autorin in diesem autobiografischen Buch Themen, wie gesellschaftliche Erwartungen, Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und den Kampf um die Emanzipation der Frau, zu einem herzzerreißenden und bewegenden Bericht über das Leben ihrer Mutter.

Ernaux beschreibt eine Frau, die um die Jahrhundertwende in der Normandie geboren wurde und als Arbeiterin begann, später Ladenbesitzerin wurde, Ehefrau und Mutter zweier Kinder war. Eine lebenslustige Frau, die stets darum kämpfte, ihren sozialen Status zu erhalten und sogar zu überwinden. In späteren Jahren litt sie an Alzheimer, einer Krankheit, die ihren Körper und ihren Geist nach und nach zerstörte.

Annie Ernaux schreibt mit großer Sensibilität und Empathie. Sie erzählt von den Freuden und Enttäuschungen, die ihre Mutter in ihrem Leben erfahren hat und lässt die Kämpfe ihrer Mutter lebendig werden. Eine einfache Frau aus einfachen Verhältnissen wird in diesem bemerkenswerten Buch zur Repräsentantin einer Zeit und Gesellschaftsschicht. Der persönliche Weg der Autorin findet Eingang in die Geschichte, wenn sie über die Distanz nachdenkt, die sich zwischen ihr und ihrer Mutter entwickelt hat. Während es ihr gelang, ihren Status in der Gesellschaft zu erhöhen, musste ihre Mutter unermüdlich arbeiten, um ihn zu erhalten, und fühlte sich oft unter Druck gesetzt, die Erwartungen zu übertreffen. Aus dem Blickwinkel der Distanz beginnt die Autorin, die Kämpfe ihrer Mutter besser zu verstehen, und, was vielleicht noch wichtiger ist, ihre eigenen.

Zutiefst berührend ist die Beschreibung des schmerzhaften Zustands ihrer Mutter während ihrer Alzheimer-Erkrankung, an der sie schließlich stirbt. Der kaum zu ertragenden Wirklichkeit des Todes nähert sich Ernaux mit großer Würde und Ehrlichkeit. Das Buch endet mit einer tiefgründigen Reflexion über das Schuld- und Pflichtgefühl der Tochter gegenüber ihrer Mutter, die nicht nur eine Zeit, sondern auch eine Lebensweise verkörperte, die ihre Tochter verstehen zu lernen versucht.

Annie Ernaux, geboren 1940 in der Normandie, ist eine der bekanntesten französischen Autorinnen unserer Zeit. Sie studierte in Rouen und Bordeaux und arbeitete zunächst als Lehrerin. Ernaux bezeichnet sich als „Ethnologin ihrer selbst“. In ihren Büchern, die häufig autobiografische Züge tragen, beschäftigt sie sich vor allem mit Themen wie Erinnerung, Identität, dem Leben in der französischen Gesellschaft und ihrem eigenen Lebensweg vom Arbeiterkind zu Schriftstellerin. Ihre Werke, die international große Beachtung finden, sind beeinflusst von feministischer und marxistischer Theorie. Ernaux lebt in der Nähe von Paris.

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