Wer an Günter Lamprecht denkt, denkt unweigerlich an seine legendäre Rolle als Franz Biberkopf in Rainer Werner Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“. Doch Günter Lamprecht war nicht nur ein begnadeter Schauspieler, sondern auch ein talentierter Schriftsteller. In seinem Buch „Und wehmütig bin ich immer noch – Eine Jugend in Berlin“ entführt uns Lamprecht in seine Berliner Vergangenheit und lässt uns teilhaben an den Dramen und Abenteuern, die er als Wilmersdorfer Straßenkind in den 30er Jahren und später als junger Mann während des Zweiten Weltkriegs erlebte.
Mit viel Wehmut und echtem Berliner Humor erzählt Lamprecht von den schweren Zeiten seiner Kindheit und Jugend. Leserinnen und Leser werden in die löchrigen Schuhe des kleinen Günter gesteckt und erleben gemeinsam mit ihm das Grauen des Krieges und die Wirren der Nachkriegszeit in Berlin. Lamprecht beschreibt mit ungeschönter Offenheit, aber auch mit viel Sinn für Detailreichtum, wie er sich durch das Leben schlug, unter widrigen Umständen ums Überleben kämpfte und schließlich den Weg zum Schauspiel fand.
Besonders eindrücklich ist Lamprechts Schilderung der Berliner Hinterhöfe und ihrer Bewohner. Hier sammelte er als Junge erste Erfahrungen mit Gewalt und Kriminalität. Der Schrottplatz um die Ecke, die jüdischen Nachbarn und der Boxsport prägten seine Kindheit und Jugend nachhaltig. Doch Lamprecht verurteilt nicht, sondern zeigt Verständnis für die Menschen, die in den Hinterhöfen leben und sich oft nicht anders zu helfen wissen.
Auch die Zeit des Zweiten Weltkriegs beschreibt Lamprecht mit schonungsloser Offenheit. Die Nächte in Luftschutzbunkern, die Angst vor den Bomben und die Unsicherheit über das Schicksal der eigenen Familie lassen dem Leser das Blut in den Adern gefrieren. Doch Lamprecht verliert auch hier nicht den Blick für das Menschliche und beschreibt mit viel Empathie die Schicksale einzelner Menschen inmitten der Kriegswirren.
Am Ende des Buches steht der Eintritt in die Schauspielschule, eine Wendung im Leben des jungen Lamprecht, der sich damit einen Traum erfüllt. Doch das Buch endet nicht mit dem Erfolg, sondern mit einem Hauch von Wehmut und Melancholie, der einen noch lange begleiten wird. Lamprecht erzählt nicht nur seine eigene Geschichte, sondern auch die Geschichte Berlins, das er zeitlebens liebte und das ihn prägte.
Günter Lamprecht starb im Oktober 2022 im Alter von 92 Jahren. Mit seinem Buch „Und wehmütig bin ich immer noch – Eine Jugend in Berlin“ hat er ein unvergessliches Werk hinterlassen, das nicht nur für Fans des Schauspielers, sondern für alle, die sich für Berlin und seine Geschichte interessieren, eine Pflichtlektüre ist. Lamprecht zeigt, dass das Leben nicht immer einfach ist und dass jeder Mensch seine eigene Geschichte hat. Seine Geschichte ist spannend, bewegend und immer authentisch. Lamprecht war ein Mann, der nicht nur schauspielern, sondern auch schreiben konnte. Mit diesem Buch hat er beides auf eindrucksvolle Weise bewiesen. Das Buch ist für jeden zu empfehlen, der sich für die bewegte Geschichte Berlins interessiert und Lust hat, eine außergewöhnliche Geschichte zu lesen.