„Die Verwirrung des Gemüths“ von Alban Nikolai Herbst ist ein Roman, der den Leser auf eine Reise durch die Psyche des Protagonisten Ulf Laupeyßer mitnimmt. Laupeyßer, der Apothekersohn und ehemalige Pharmaziestudent, erfindet sich selbst neu als Kleinbürgerspross Claus Falbin. Doch je mehr er sich in seine neue Identität vertieft, desto mehr verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Fiktion.
Der Schreibstil ist fließend und poetisch, der Autor versteht es, mit sprachlicher Raffinesse die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Vorstellung zu verwischen. Das Buch erfordert Aufmerksamkeit und eine gewisse Konzentration vom Leser, da die Handlung in keine lineare Erzählstruktur gepresst wird. Stattdessen wandert der Leser durch verschiedene Zeitebenen und Identitäten, was das Buch noch faszinierender macht.
Es ist ein Buch über Identitätssuche, Selbstfindung und die Auswirkungen der Vergangenheit auf die Gegenwart. Ulf Laupeyßer plagen Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend, die ihn immer wieder einholen und seine Psyche belasten. Die Hypothek der Vergangenheit wirkt sich als Unruhefaktor auf Laupeyßers Leben aus und beeinträchtigt auch seine Identitätssuche.
Der Protagonist versucht, seine Vergangenheit im Schreiben zu verarbeiten, was jedoch zu einer noch größeren Verwirrung seiner Gedanken und Emotionen führt. Herbst zeigt in seinem Roman eindrucksvoll, wie schwierig es ist, die eigene Identität zu finden, wenn die Vergangenheit immer wieder präsent ist. Denn wer uns geprägt hat, wer wir wirklich sind und wer wir sein wollen, sind letztlich Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind.
In „Die Verwirrung des Gemüths“ zeigt Herbst auf höchstem Niveau, wie man Erzählstränge und Zeitebenen miteinander verknüpft und dem Leser eine Geschichte erzählt, die lange nachhallt. Das Buch fordert den Leser heraus und regt zum Nachdenken an. Ein Buch, das man nicht einfach nebenbei lesen sollte, sondern das Zeit und Konzentration erfordert.
Alban Nikolai Herbst, geboren 1955 in Bergisch Gladbach, ist Schriftsteller, Übersetzer und Regisseur. Er studierte Germanistik, Philosophie und Literaturwissenschaften und schreibt seit den 1980er Jahren Prosa, Lyrik und Essays. Sein Werk zeichnet sich durch sein formalexperimentelles Schreiben aus, das er immer wieder aufs Neue variiert.
Insgesamt ist „Die Verwirrung des Gemüths“ ein faszinierender Roman über Identität und Vergangenheitsbewältigung, der den Leser auf eine Reise durch die Psyche des Protagonisten mitnimmt. Alban Nikolai Herbst hat mit diesem Buch erneut bewiesen, dass er zu den wichtigsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart gehört. Leser, die eine Herausforderung suchen, werden hier definitiv auf ihre Kosten kommen!