„Durch die Geheimnisse im Lehrerzimmer der seltsamsten Schule der Welt“ – so könnte der Untertitel von Ali Benjamins preisgekröntem Jugendroman „Die Suche nach Paulie Fink“ lauten. Als Leser/in taucht man ein in das mysteriöse Abenteuer von Caitlyn und ihren Klassenkameraden, und erlebt wie sie gemeinsam Fragen über Freundschaft, Identität und den Wert von Legenden aufwerfen – und stets von der schillernden Figur des verschwundenen Paulie Fink verfolgt werden.
Die Geschichte spielt in einer kleinen, verträumten Schule – einer alten Villa umgeben von einem von Ziegen bewohnten, pflanzenüberwucherten Sportplatz. Hier trifft Caitlyn auf ihre zehn neuen Klassenkameraden, die alle von einem gewissen Paulie Fink besessen zu sein scheinen. Sie reden unablässig über ihn und haben die unterschiedlichsten Erinnerungen: Der eine denkt an einen freiheitsliebenden Klassenclown, der nächste an einen verrückten Visionär, und wieder ein anderer an einen unberechenbaren Unruhestifter. Doch eines haben alle Geschichten gemeinsam: Paulie Fink war eine Legende.
Caitlyn, der Neuankömmling, wird unfreiwillig zur Jurorin in einem bizarren Wettbewerb gewählt, bei dem sich ihre Mitschüler/innen darum bemühen, ein würdiger Ersatz für Paulie zu werden. Bei jeder Challenge lernt Caitlyn mehr über die Persönlichkeit hinter der Legende und beginnt zu hinterfragen, ob Paulie Fink wirklich so außergewöhnlich gewesen sein kann, oder ob sie es hier eher mit einer überhöhten Darstellung zu tun hat.
Die Stärke von Ali Benjamins Roman liegt in der Vielschichtigkeit der Charaktere und der Atmosphäre, die sie mit Leichtigkeit zu erschaffen vermag. So fängt sie den Charme und das Chaos einer kleinen Schule ein und verwebt die persönlichen Geschichten der Schüler/innen und Lehrer/innen zu einer komplexen, authentischen und überraschenden Handlung. Durch die Augen der jungen Protagonistin, die sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden und eine eigene Identität entwickeln muss, betrachten wir die Welt voller Neugier und hinterfragen die uns erzählten Geschichten und Legenden.
„Die Suche nach Paulie Fink“ ist nicht einfach eine Geschichte über eine abenteuerliche Schnitzeljagd, sondern vielmehr eine nachdenkliche Reflexion darüber, wie wir unsere Umgebung, unsere Mitmenschen und uns selbst wahrnehmen, einschätzen und bewerten. Der Roman fordert seine jugendlichen Leser/innen auf, sich mit Fragen der Identität und Zugehörigkeit, aber auch mit Themen wie Ausgrenzung und Inklusion auseinanderzusetzen. Ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit viel Humor und Einfühlungsvermögen, gelingt es Ali Benjamin, eine warmherzige und inspirierende Geschichte zu erzählen, die in Erinnerung bleibt.
Die amerikanische Autorin Ali Benjamin gewann für ihr Werk bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Jugendliteraturpreis 2022 für „Die Suche nach Paulie Fink“. Benjamin brilliert auch in ihren anderen Werken mit ihrer Fähigkeit, vielschichtige Charaktere zu erschaffen und humorvoll, aber einfühlsam die Geschichten ihrer jungen Protagonist/innen zu erzählen. Als Mutter von zwei Kindern zieht Ali Benjamin wertvolle Inspiration für ihre Geschichten aus dem Alltag und dem Leben mit ihrer Familie. Im Fall von „Die Suche nach Paulie Fink“ lieferte eine reale Dorfschule, die sie in ihrem Alltag kennengelernt hatte, die Grundlage für den ungewöhnlichen Veranstaltungsort ihres Romans.
Insgesamt ist „Die Suche nach Paulie Fink“ ein bemerkenswerter Jugendroman, der gekonnt zwischen Abenteuer und Tiefgang balanciert. Ali Benjamins Schreibstil und feines Gespür für die Komplexität ihrer Figuren machen es zu einem wahren Lesevergnügen,