Wer war in der Pubertät nicht genervt von seinen Eltern oder fühlte sich unverstanden? Bianca geht es genauso, nur scheint ihr Leben noch komplizierter zu sein als das ihrer Altersgenossen. Die Trennung ihrer Eltern, ihre eigene Unsicherheit und der kranke Bruder, der alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, tragen nicht gerade zu einem glücklichen Teenager-Dasein bei. Doch Bianca ist nicht zuletzt aufgrund der Begegnung mit ihrer Nachbarin eine Kämpferin und lernt, sich ihrer Gefühle bewusst zu werden.
Mit „Bianca“ beweist Bart Moeyaert erneut, dass er ein Meister darin ist, seine jungen Leser*innen ernst zu nehmen und ihre Perspektive in seinen Werken zu spiegeln. Der belgische Autor hat bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten und zählt zu den renommiertesten Kinder- und Jugendbuchautoren Europas. 2019 erhielt er den Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis, eine der höchsten internationalen Auszeichnungen in der Kinder- und Jugendliteratur, die ihm für sein beeindruckendes Oeuvre und seinen Einsatz für die Literatur verliehen wurde.
„Bianca“ ist eines der Bücher, die Moeyaerts Talent perfekt illustrieren. Der Autor seziert präzise die Gedanken und Gefühle seiner Hauptfigur und ermöglicht es den Leser*innen, sich in ihre Situation hineinzuversetzen. Man fühlt mit Bianca, leidet mit ihr und freut sich mit ihr, dass sie endlich eine Verbündete gefunden hat, die ihr hilft, ihre Gefühle auszudrücken.
Was das Buch auszeichnet, ist jedoch nicht nur die Empathie und die detailreiche Ausgestaltung der Hauptfigur, sondern auch der Zugang zu einer kindlichen Perspektive und die Darstellung einer komplexen Welt. Moeyaert versteht es, die erdrückenden Sorgen und Probleme der Erwachsenenwelt in eine Sprache zu übersetzen, die auch für Jugendliche und Kinder zugänglich ist. Er erklärt nicht, sondern lässt seine Figuren lernen und wachsen, so wie es im Leben auch geschieht.
Dabei verzichtet Moeyaert auf Klischees und vermeidet es, in einfachen Schwarz-Weiß Malereien zu verfallen. Die Figuren sind keine eindimensionalen Charaktere, sondern Individuen mit einer eigenen Perspektive, die versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Die Nachbarin ist beispielsweise keine Idealfigur, die Bianca rettet, sondern eine Person, die durch ihre eigene Lebenserfahrung und ihr Mitgefühl dazu beiträgt, dass Bianca ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen wiedererlangt.
Und hier liegt auch Moeyaerts Talent, denn er schafft es durch seine Kunst, Empathie zu fördern, junge Leser*innen dabei zu unterstützen, ihre eigenen Gefühle und Konflikte besser zu verstehen. Dabei gibt er keine einfachen Lösungen, sondern er regt zum Nachdenken an und hilft, sich in die Lage anderer zu versetzen. Denn wie ein Kommentator auf Amazon schrieb: „Das Buch ist ein Plädoyer für Toleranz und Empathie, gegen das schnelle Urteil und Polemik.“
Insgesamt lässt sich sagen, dass „Bianca“ ein herausragendes Jugendbuch ist und Bart Moeyaert erneut beweist, dass er einer der wichtigsten europäischen Kinder-und Jugendbuchautoren der Gegenwart ist. Das Buch ist eine Empfehlung für alle, die sich für anspruchsvolle und sensible Literatur begeistern und sich auf die Welt eines Teenagers einlassen wollen.
Bart Moeyaert selbst hat aufgrund seiner Erfahrungen als jüngster von sieben Geschwistern und seiner Arbeit als Schriftsteller bereits einen besonderen Bezug zu seinen jugendlichen Leser*innen. Dabei blickt er auf eine lange Karriere zurück: Seit dem Erscheinen seines ersten Buches 1983 hat er zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde dafür mit vielen wichtigen Preisen ausgezeichnet.