„Trottel“ von Jan Faktor ist ein Buch, das sich schwer in eine Schublade stecken lässt. Es ist ein Schelmenroman, eine Autobiografie, ein Familienporträt und ein tragisches Drama in einem. Der eigensinnige Erzähler, gebürtiger Tscheche und begnadeter Trottel, schildert sein Leben und das seiner Familie, in dem immer alles anders kam als gedacht.
„Von der Prager Vorhölle, einer schicksalhaften Ohnmacht, einem Sprung und dem seltsamen Trost von Chicorée“ – so kann man den Buchinhalt zusammenfassen. Und tatsächlich erzählt Jan Faktor von einer Familie, deren Leben von Schicksalsschlägen und unvorhersehbaren Ereignissen geprägt ist. Im Mittelpunkt steht der Erzähler selbst, der mit einer Prise Selbstironie und Humor von seiner Kindheit in Prag erzählt, von seinen Eltern, Großeltern und Geschwistern.
Doch das Buch wäre nicht so spannend, wenn es nur um eine gewöhnliche Familiengeschichte gehen würde. Jan Faktor legt immer wieder dunkle Spuren, die darauf hindeuten, dass in der Familie etwas passiert ist, das nicht nur tragisch, sondern auch traumatisch war. Es geht um den „engelhaften“ Sohn des Erzählers, der den Suizid gewählt hat und immer wieder als Schatten über der Familie schwebt.
„Trottel“ ist kein Buch, das sich leicht liest. Die Sprache ist oft poetisch, manchmal auch verschachtelt und verworren. Der Erzähler springt hin und her zwischen verschiedenen Ereignissen und Emotionen. Aber gerade das macht die Faszination des Buches aus. Jan Faktor schafft es, durch seine besondere Art des Erzählens, den Leser immer wieder zu überraschen und in seinen Bann zu ziehen.
Das Buch ist auch ein spannendes Porträt von Prag in den 60er und 70er Jahren. Es sind zwar keine historischen Ereignisse, die im Buch eine Rolle spielen, aber die Atmosphäre der Stadt wird sehr lebendig beschrieben. Die politische Lage, die Studentenbewegung, die Kultur – all das wird in das Leben der Familie integriert und gibt dem Buch einen weiteren interessanten Aspekt.
Jan Faktor selbst wurde 1951 in Prag geboren und studierte Kulturwissenschaften und Philosophie. Er war Mitbegründer der samizdat-Bewegung in der Tschechoslowakei und veröffentlichte seit den 80er Jahren zahlreiche Bücher und Aufsätze. Sein Roman „Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag“ wurde 2010 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und gelangte auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises. Zwölf Jahre später erreichte er 2022 mit Trottel erneut die Shortlist des Deutschen Buchpreises. Außerdem erhielt er dafür den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis.
Insgesamt ist „Trottel“ ein Buch für Leser, die sich auf eine anspruchsvolle und poetische Erzählung einlassen möchten. Wer gerne in tiefgründige Familiengeschichten eintaucht und sich für die Atmosphäre des Prags der 60er und 70er Jahre interessiert, wird an diesem Buch seine Freude haben. Jan Faktor beweist einmal mehr seine Begabung als Schriftsteller und sein Talent für einzigartige Erzählungen.