Hans-Werner Sinn ist zweifellos einer der bekanntesten und wichtigsten Ökonomen Deutschlands. Als ehemaliger Professor für Nationalökonomie an der renommierten LMU München und Präsident des ifo Instituts hat Sinn mit seinen wirtschaftspolitischen Überlegungen die Republik verändert und seine Stimme hat in den wirtschafts- und sozialpolitischen Debatten des letzten Vierteljahrhunderts großes Gewicht.
Nun hat Sinn seine Autobiografie mit dem Titel „Auf der Suche nach der Wahrheit“ veröffentlicht. In dem Buch beschreibt er sein außergewöhnliches Leben – aus kleinbürgerlichen Verhältnissen kommend, in denen er auch mit dem Schicksal von Flucht und Vertreibung konfrontiert war, an die Spitze der Forschung.
Sinn war in seiner Jugend Mitglied in der Jugendorganisation der SPD, den Falken, und wurde durch die 68er-Bewegung beeinflusst. Doch sein Studium der Volkswirtschaft in Münster, Mannheim und später in Kanada veränderte seine geistigen Positionen einschneidend. Sinn begann, in Distanz zu allem Ideologischen zu treten und orientierte sich stattdessen an den Regeln der Wissenschaft. Die fortwährende Suche nach der Wahrheit wurde zum Credo seines Lebens.
In seiner Autobiografie beschreibt Sinn seine Ansichten zu verschiedenen wirtschafts- und sozialpolitischen Themen, die er im Laufe seines Lebens mitgestaltet hat. Ob Kritik an den ökonomischen Regeln der Wiedervereinigung, ob Standortdebatte, Reform des Sozialstaates, Bewältigung der Eurokrise, Migration oder Brexit … Hans-Werner Sinn mischte sich ein, durchaus kontrovers. Zudem zeigt Sinn in seinem Buch, dass Wissenschaft und Gesellschaft keine unvereinbaren Gegensätze sind, denn seine Expertise und seine wissenschaftlichen Kenntnisse können dazu dienen, politische Entscheidungen zu informieren.
Das Buch bietet interessante Einblicke in die deutsche und europäische Wirtschaftspolitik der letzten drei Jahrzehnte. Sinn legt dar, wie er seine Ansichten zu diesen Themen entwickelt hat und welche Argumente er einbrachte und schildert seine Beteiligung an bedeutenden politischen Entscheidungen. Er nennt Fakten, Daten und Ergebnisse seiner Forschung, um seine Schlussfolgerungen zu untermauern.
Aber das Buch gibt nicht nur Einblick darein, wie der Autor seine Ansichten entwickelt hat. Es erzählt auch von seiner persönlichen Geschichte und der seiner Familie. Sinn war er als Kind mit Flucht und Vertreibung konfrontiert, .Erfahrungen, die, so schreibt er, sein Verständnis von Ungerechtigkeit und wirtschaftlichem Versagen beeinflussten.
Beim Lesen von Sinns Autobiografie tritt hinter dem einflussreichen Ökonomen ein Mensch von großer Integrität und Wahrheitsliebe hervor., dem es nicht um eitle Selbstdarstellung oder politische Ambitionen geht: Jemand, der einfach seine Ideen teilen und die Wahrheit voranbringen möchte.