„Das Trugbild“ von Kjell Westö wurde von mir mit großer Begeisterung gelesen. Die Geschichte rund um den Rechtsanwalt Claes Thune spielt in Finnland während des Dritten Reiches und zeigt auf beeindruckende Weise, wie sich das politische Klima auf das persönliche Leben auswirkt.
Thune ist ein Mann, der in einer Minderheitenposition ist. Während die Gesellschaft um ihn herum immer mehr von nationalsozialistischen Ideologien durchdrungen wird, bleibt er skeptisch. Doch der Druck, der auf ihm lastet, nimmt zu. Sogar seine zuverlässige Sekretärin Matilda Wiik scheint Geheimnisse zu haben, die im Zusammenhang mit dem Mittwochsclub stehen – einer Gruppe von Männern, die sich regelmäßig zum Austausch treffen.
„Das Trugbild“ ist besonders gut darin, wie Westö die Charaktere zeichnet. Jeder von ihnen hat seine eigenen Motivationen und Geheimnisse, die nach und nach ans Licht kommen. Doch es gibt keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern viele Grautöne. So wird aus dem ehemals so hochmütigen Thune ein sympathischer Protagonist, der seinen Weg in einer schwierigen Zeit sucht. Westö schreibt klar und präzise, ohne dabei einfallslos zu werden. Der Leser wird gut in die Geschichte hinein gezogen und kann sich mit den Figuren identifizieren.
Der finnisch-schwedische Autor Kjell Westö hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Dynamik zwischen der schwedischsprachigen Minderheit und der Mehrheit in Finnland zu erforschen. Der 1961 geborene Autor entdeckte seine Leidenschaft für das Schreiben mit der Veröffentlichung von Drakarna över Helsingfors (1996), für die er im selben Jahr von der Kritik mit der „Thank You For The Book“ Medaille ausgezeichnet wurde. Vier Jahre später erschien Vådan av att vara Skrake – ein Roman, der von Paul Berft ins Deutsche übersetzt und vom Münchner btb Verlag unter dem Titel „Vom Risiko, ein Skrake zu sein“ veröffentlicht wurde. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet. Auch in „Das Trugbild“ punktet er mit einem feinen Gespür für die menschlichen Abgründe, die politische Entwicklungen mit sich bringen.
Insgesamt ist „Das Trugbild“ jedem zu empfehlen, der sich für Romane mit historischem Hintergrund und komplexen Charakteren interessiert. Kjell Westö ist ein ausgezeichneter Autor, der es versteht, seine Leser in eine andere Zeit und Welt zu entführen.