Lukas Bärfuss’ Roman „Hagard“ ist eine Verfolgungsgeschichte, die den Leser in einen Sog aus surrealen Sinneswahrnehmungen zieht und den Atmen anhalten lässt. Der Protagonist Philip verfolgt aus einer spontanen Laune heraus eine Frau durch das Feierabendgedrängel eines Warenhauses und gerät selbst in einen bedrohlichen Strudel aus Flucht und Verfolgung. Dabei wird nicht nur die aktuelle Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert aufgerufen, sondern auch tiefgehende Fragen nach Bedrohung und Identität gestellt.
In nur knappen 205 Seiten zieht Bärfuss den Leser in die surreale Welt des Protagonisten Philip. Der gewöhnliche Lebenstrott wird durch die Verfolgungsjagd in der Menge ad absurdum geführt und lässt den Leser selbst in den bedrohlichen Sog geraten. Doch trotz seines Flucht- und Verfolgungstriebes bleibt Philip zugleich ein rätselhafter Charakter. Was treibt ihn an? Ist er ein Verrückter, ein Verbrecher oder ein gelangweilter Schnösel? Die Antworten bleiben im Unklaren und lassen den Leser mit einer gewissen Unsicherheit zurück.
Bärfuss stellt in „Hagard“ nicht nur das Leben im 21. Jahrhundert infrage, sondern behandelt auch tiefer greifende Themen wie Identität und den Sinn für Bedrohung des Menschen. Das Verfolgungsspiel von Philip lässt dabei schnell den Gedanken aufkommen, dass jeder von uns von etwas Bedrohlichem getrieben wird. Die allgegenwärtigen Mediengeräusche und die Hektik des modernen Lebens verstärken den bedrohlichen Charakter der Geschichte noch mehr, der sich wie ein Schleier über den Leser legt.
Lukas Bärfuss ist ein schweizerischer Schriftsteller, dessen Werk vielfach ausgezeichnet wurde und 2019 mit dem renommierten Georg-Büchner-Preis bedacht worden ist. Seine Arbeit zeichnet sicherer Stil sowie formaler Variationsreichtum bei der Auseinandersetzung existentieller Situation des modernen Lebens aus. Er unterhält regelmäßige Gastbeziehungen in verschiedenen deutschsprachigen Zeitungsredaktionen und moderierte an dem Schauspielhaus Zürich diverse Gespräche – jeweils geprägt von seinem Einfallsvermögen als Theaterregisseur. Nominiertes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache & Dichtung bringt er zudem Expertise in die Charta Digitaler Grundrecht der EU ein, wofür ihn 2016 entsprechender Applaus huldigte; im Jahr 2020 rundet der Prix europeéne de l’Essai Fondation Charles Veillon jedoch seinen Erfolg endgültig ab.
In „Hagard“ zeigt sich sein Talent für eine gehaltvolle, aber zugleich spannende und pointierte Erzählung. Die Bedrohung der modernen Lebenswirklichkeit wird hier zu einem existenziellen Erlebnis und lässt den Leser in der Welt von Philip gefangen zurück. Es ist ein fesselnder Roman, der den Leser in eine Surrealität aus Verfolgung und Bedrohung zieht. Die Fragen nach Identität und Existenz werden dabei tiefgreifend behandelt und der Autor überzeugt mit seinem talentierten Schreibstil. Wer nach spannenden Abenteuern und philosophischen Erkenntnissen strebt, ist mit dem Werk „Hagard“ von Lukas Bärfuss bestens bedient. Hier erleben Leserinnen eine surreale Jagd, die sie auf den Grund tiefschürfender Fragen führt!