In Michelle Steinbecks Debütroman „Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch“ begleiten wir die Protagonistin Loribeth auf ihrer fantastischen Reise, die zugleich eine Reise zu sich selbst ist. Im Koffer trägt sie ein erschlagenes Kind mit sich und ist auf der Flucht. Ihr Ziel ist es, den Koffer ihrem verschollenen Vater zu bringen, um erwachsen zu werden. Steinbeck erzählt die Geschichte in einer sinnlichen Sprache, die den Leser sofort in den Bann zieht. Die märchenhaften Bilder und die detaillierten Beschreibungen der Reise lassen einen förmlich mitreisen und in eine andere Welt eintauchen. Doch es geht nicht nur um die äußere Reise, sondern auch um Loribeths innere Entwicklung. Sie muss sich ihren Ängsten stellen und sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen.
Die Begegnungen, die Loribeth auf ihrer Reise hat, sind vielfältig und immer wieder überraschend. Sie lernt Wesen kennen, die ihr Essen und Trinken anbieten, und verliebt sich in jede einzelne Speise. Doch nicht nur die kulinarischen Genüsse machen Loribeths Reise zu etwas Besonderem. Auch unerwartete Begegnungen und Katastrophen zwingen sie immer wieder zum Weiterziehen. Die erschreckend lebendige Kofferleiche ist dabei nur ein Beispiel für die ungewöhnlichen Ereignisse, die Loribeth auf ihrer Reise erlebt.
Der Höhepunkt der Geschichte ist jedoch die Ankunft in der Heimatstadt des Vaters. Hier wird der Koffer endlich seinem Bestimmungsort übergeben und Loribeths Blick auf die Welt verändert sich. Das Magische geht ins Reale über und das lang ersehnte Leben im Kreis der Freunde ist öd und langweilig. Loribeth kann nicht aufhören zu fragen, ob das alles gewesen sein soll.
Die Geschichte von Loribeth ist virtuos erzählt und regt zum Nachdenken an. Wie viele von uns sehnen sich nach Abenteuern und ungewöhnlichen Erlebnissen, um dem Alltagstrott zu entkommen? Doch am Ende ist es oft das Einfache und Alltägliche, das uns glücklich macht. Das Buch zeigt auf eine poetische Weise, dass es nicht nur um die äußere Reise, sondern auch um die Reise zu uns selbst geht.
Michelle Steinbeck, geboren 1990 und aufgewachsen in Zürich, ist eine renommierte Schweizer Schriftstellerin, die ihre Prosa, Lyrik und Szenen in zahlreichen Anthologien, Heften, Radiosendungen und Theaterbühnen veröffentlicht hat. Sie ist Redakteurin der „Fabrikzeitung“ und organisiert seit 2016 Veranstaltungen im Rahmen ihrer Mitgliedschaft im Verband der Autorinnen und Autoren Schweiz. Ihr Debütroman „Mein Vater war ein Mann an Land, aber ein Wal im Wasser“, erschienen im Lenos Verlag, schaffte es nicht nur auf die Longlist des Deutschen Buchpreises und auf die Shortlist des Schweizer, sondern wurde auch international bei Darf Publishers London (2018) und dem italienischen Verlag Tunué Latina (2019) veröffentlicht. Steinbeck überzeugt mit einer poetischen und sinnlichen Sprache, die den Leser sofort in den Bann zieht. In Interviews betont sie immer wieder, dass sie das Schreiben als eine Möglichkeit sieht, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und ihre inneren Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Diese Philosophie spiegelt sich auch in ihrem Debütroman wider und macht ihn zu einem besonderen Erlebnis für jeden Leser.
Insgesamt ist „Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch“ ein poetischer, fantastischer und zugleich tiefgründiger Roman, der den Leser auf eine Reise zu sich selbst mitnimmt. Michelle Steinbeck hat mit ihrem Debüt einen bleibenden Eindruck in der Literaturszene hinterlassen und ist definitiv eine aufstrebende Autorin, die man im Auge behalten sollte.