Lukas Bärfuss‘ Roman „Hundert Tage“ ist eine fesselnde Geschichte über moralische Ambiguität, Liebe und Tragödie vor dem Hintergrund des Völkermords in Ruanda 1994. Mit seiner fesselnden Geschichte bringt er einen oft vergessenen Teil der Geschichte auf emotionale Art und Weise ans Licht.
Die Geschichte folgt David, einem jungen Schweizer Entwicklungshelfer, der 1990 mit großen Hoffnungen nach Ruanda reist, um dem Land zu helfen, zum Vorzeigeobjekt des afrikanischen Kontinents zu werden. Leider werden diese Hoffnungen vier Jahre später enttäuscht, als das Land im Chaos versinkt und Hutu-Extremisten einen systematischen Völkermord an den Tutsi begehen. In diesem Albtraumszenario ist David gefangen zwischen seinen eigenen moralischen Überzeugungen und dem Wunsch, sein eigenes Leben zu retten – vor allem, als er herausfindet, dass seine Geliebte Agathe zu denjenigen gehört, die die Morde begehen.
In „Hundert Tage“ erforscht Bärfuss Themen wie Gerechtigkeit, Schuld und Verantwortung und vermittelt gleichzeitig ein lebendiges Bild davon, wie es war, während dieser schrecklichen Monate in Ruanda zu sein. Er fängt das Gefühl des Grauens ebenso ein wie nuancierte Momente der Zärtlichkeit zwischen den Figuren, die sowohl von den Protagonisten als auch von den Antagonisten mit Realismus und großem Einfühlungsvermögen dargestellt werden. Dabei schreckt er nicht davor zurück, die erschütternden Details der Geschehnisse in Ruanda zu beschreiben.
So sehr sich „Hundert Tage“ auf die ruandische Geschichte konzentriert, so sehr erzählt er auch von der menschlichen Natur und unserer Fähigkeit, sowohl Gutes als auch Böses zu tun – und das alles innerhalb einer Person oder sogar einer Familie. Er spricht unsere universellen Kämpfe mit Identität, Pflicht, Moral und Liebe an, die durch die Zeiten hindurch nachhallen. Es ist eine wichtige Erinnerung daran, dass wir zwar nicht immer vor dem Grauen oder der Tragödie fliehen können, aber dennoch versuchen können, dem Geschehenen einen Sinn zu geben und trotz allem einen Sinn in unserem Leben zu finden.
Lukas Bärfuss wurde 1971 in Thun, Schweiz, geboren, wo er heute lebt und als Dramatiker und Romancier arbeitet – zwei Berufe, die sich in seinem Schreibstil für „Hundert Tage“, der sich eher wie ein Theaterstück als reine Prosa liest, perfekt ergänzen. In der internationalen Literaturszene genießt er hohes Ansehen und wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter 2013 mit dem renommierten Friedrich-Hölderlin-Preis für Literatur des Auswärtigen Amtes. das Buch „Hundert Tage“ wurde bei seiner Veröffentlichung von den Kritikern sehr gelobt und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Schweizer Buchpreis 2011 und stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2012.