„Die Tagesordnung“ von Éric Vuillard ist ein faszinierendes Buch, das den Leser in die Hinterzimmer der Macht entführt und eine erschreckende Beiläufigkeit zeigt, mit der Geschichte geschrieben wird. Der Roman beginnt am 20. Februar 1933, als 24 hochrangige Vertreter der Industrie auf Einladung des Reichstagspräsidenten Hermann Göring zu einem Treffen mit Adolf Hitler zusammenkommen, um über mögliche Unterstützung für die nationalsozialistische Politik zu beraten. Krupp, Opel, BASF, Bayer, Siemens, Allianz – kaum ein Name von Rang und Würden fehlt an den glamourösen runden Tischen der Vermählung von Geld und Politik.
Vuillard beschreibt eindrücklich, wie diese Zusammenkunft letztlich den Lauf einer Geschichte in Gang setzt, die fünf Jahre später in die Annexion Österreichs münden wird. Der Autor legt großen Wert auf Details und lässt den Leser hautnah miterleben, wie in diesen Hinterzimmern der Macht Entscheidungen getroffen werden, die die Geschichte nachhaltig beeinflussen.
Vuillard beschreibt die Teilnehmer des Treffens in lebendigen Farben und porträtiert sie als Menschen, die überzeugt sind von der nationalsozialistischen Ideologie und bereit sind, sich für ihre Ziele einzusetzen. Dabei stellt der Autor auch die Frage, inwieweit die wirtschaftliche Macht der Teilnehmer das politische Geschehen beeinflusst hat und ob die Nazis ohne die finanzielle Unterstützung der Industrie an die Macht gekommen wären.
Neben der Beschreibung dieses Treffens nimmt der Autor auch Bezug auf Ereignisse in der Zeit davor und danach. So erfährt der Leser, wie Hitler sich langsam aber sicher an die Macht bringt und wie die Ermächtigungsgesetze und die Gleichschaltung der Gesellschaft vorbereitet werden.
Vuillard schafft es, seine Leser in eine faszinierende Welt voller Intrigen und Machtspiele zu entführen, die von politischen Verwerfungen geprägt ist. Seine Sprache ist dabei sehr bildhaft und wortgewaltig, was das Lesen zu einem besonderen Erlebnis macht.
„Die Tagesordnung“ ist ein eindrucksvolles Buch, das den Leser tief in die Abgründe der politischen Macht entführt. Es zeigt, wie Geschichte geschrieben wird und wie eng wirtschaftliche Interessen mit politischer Macht verknüpft sind. Das Buch ist somit nicht nur eine spannende Lektüre, sondern auch ein wichtiges Zeitzeugnis.
Éric Vuillard wurde 1968 geboren und ist ein französischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Er studierte Geschichte und hat bereits mehrere Romane und Theaterstücke veröffentlicht. In „Die Tagesordnung“ zeigt er sein Talent, komplexe historische Ereignisse in einer klaren und verständlichen Sprache darzustellen. Mit diesem Buch ist ihm ein eindrucksvoller Einblick in die Machtstrukturen der Vergangenheit gelungen.