Hinter „Eileen“ von Ottessa Moshfegh verbirgt sich ein düsteres und ungewöhnliches Buch, das dem Leser noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Eileen Dunlop, die Protagonistin des Romans, ist eine sehr ambivalente Figur. Sie wurde von ihrem kranken Vater gezwungen, sich um ihn zu kümmern und ist deshalb frühzeitig aus der Schule ausgestiegen. Sie arbeitet in einer Vollzugsanstalt für jugendliche Straftäter und ist unzufrieden mit ihrem Leben.
Doch eines Tages tritt Rebecca Saint John in ihr Leben und verändert alles. Rebecca ist eine charismatische Harvard-Absolventin und Eileen ist sofort von ihr fasziniert. Doch die Freundschaft mit Rebecca hat einen hohen Preis: Eileen wird Teil eines Verbrechens, das ihre dunkelsten Fantasien übersteigt.
Das Buch lebt von der Spannung zwischen den beiden Frauen – Rebecca und Eileen. Während Rebecca ein selbstbewusstes und unabhängiges Leben führt, erscheint Eileen unsicher und gehemmt. Die Beziehung zwischen ihnen ist geprägt von Körperlichkeit und Intimität, aber auch von Macht und Dominanz. Die Autorin Moshfegh schafft es, die Spannung zwischen den beiden Frauen so zu inszenieren, dass der Leser sich ständig fragt, was als nächstes passieren wird.
„Eileen“ ist ein Thriller, aber er ist weit davon entfernt, ein typischer Vertreter dieses Genres zu sein. Der Roman ist düster, deprimierend und komplex. Er zeigt eine Welt, in der es keine Entrinnen gibt und in der man manchmal das Gesetz in die eigene Hand nehmen muss. Doch Moshfegh schildert dies auf eine Weise, die den Leser immer wieder überrascht. Sie zeigt, wie Eileen aus ihrem Leben ausbrechen will und dabei ihre eigenen Grenzen überschreitet.
Der Roman ist nicht nur wegen seiner Handlung, sondern auch wegen seiner Sprache und Stilistik ein wahres Kunstwerk. Moshfegh beschreibt das Innere von Eileen in einer sehr präzisen, detaillierten und oft drastischen Weise. Der Leser taucht in Eileens Gedankenwelt ein und erlebt mit, wie sie versucht, ihr Leben zu entfliehen. Der Roman ist auch deshalb so faszinierend, weil er den Leser herausfordert: Er ist keine leichte Kost und erfordert eine gewisse Bereitschaft, sich auf die gedankliche Welt der Protagonistin einzulassen.
Ottessa Moshfegh, die Autorin, wurde 1981 in Boston geboren und hat zwischenzeitlich in Kroatien gelebt. In den USA gilt sie als eine der vielversprechendsten jungen Autorinnen der Gegenwart. Ihre Romane sind oft düster, deprimierend und verstörend. Aber sie schafft es, ihre Leser mit ihrer ungewöhnlichen Sprache und ihrer unkonventionellen Erzählweise zu fesseln.
„Eileen“ ist ein Roman, der sich schwer einordnen lässt. Es ist weder ein Krimi noch ein Psychothriller. Vielmehr ist es ein Buch, das sich mit der Verletzlichkeit, Einsamkeit und dem Verlangen nach einem besseren Leben beschäftigt. Die Geschichte von Eileen ist auf den ersten Blick traurig und depressiv, aber letztlich ist es eine Geschichte über Selbstbefreiung und Selbstbehauptung.
Insgesamt ist „Eileen“ von Ottessa Moshfegh ein beeindruckendes Werk, das den Leser herausfordert. Es ist ein Buch, das man nicht so schnell vergessen wird und das die Leser dazu anregt, über das Leben und die Gesellschaft nachzudenken. Wer auf der Suche nach einem anspruchsvollen, komplexen und verstörenden Roman ist, ist mit „Eileen“ sicher gut beraten.