Im Roman „Im Menschen muss alles herrlich sein“ erzählt Sasha Marianna Salzmann von Umbrüchen und Veränderungen, die Menschen in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Die Handlung beginnt in der „Fleischwolf-Zeit“ der Perestroika und führt uns bis ins heutige Deutschland. Dabei zeigt die Autorin auf beeindruckende Weise, wie Menschen von den Ereignissen mitgerissen werden und wie Systeme zerfallen.
Die Protagonistin Nina fragt sich, was ihre Mutter Tatjana und deren Freundin Lena sehen würden, wenn sie mit ihren „Sowjetaugen“ durch die Gardinen in den Hof einer ostdeutschen Stadt schauen würden. Tatjana und Lena haben in den neunziger Jahren die Ukraine verlassen und sind in Jena gestrandet, wo sie noch einmal von vorne beginnen mussten. Lenas Tochter Edi hingegen will mit ihrer Herkunft nichts mehr zu tun haben.
Zunächst wirkt die Handlung des Romans verwirrend und unzusammenhängend. Doch je weiter man liest, desto deutlicher wird, dass es sich um ein komplexes Werk handelt, in dem die Autorin viele Themen aufgreift und verarbeitet. Dabei gelingt es ihr, die verschiedenen Handlungsstränge miteinander zu verweben und so eine faszinierende Geschichte zu erzählen.
Ein zentrales Thema des Romans ist die Flucht vor politischer Unterdrückung und wirtschaftlicher Not. Tatjana und Lena haben die Ukraine verlassen, um in Deutschland ein besseres Leben zu führen. Dabei müssen sie aber auch mit den Schwierigkeiten und Entbehrungen kämpfen, die das Leben im Exil mit sich bringt. Auch Edi hat mit den Konsequenzen dieser Entscheidung zu kämpfen, denn sie fühlt sich entwurzelt und verloren in einer Welt, die ihr fremd ist.
Neben diesem Thema behandelt der Roman auch die Frage nach der Identität. Die verschiedenen Charaktere versuchen, sich in einer Welt zurechtzufinden, die im ständigen Wandel ist. Dabei müssen sie sich immer wieder neu orientieren und herausfinden, wer sie sind und was ihnen wichtig ist. Auch Nina, die Erzählerin des Romans, stellt sich diese Frage und sucht nach Antworten.
Die Sprache des Romans ist bildgewaltig und poetisch. Salzmann gelingt es, mit großer Intensität und Empathie zu erzählen und so eine Welt zu erschaffen, die dem Leser lange im Gedächtnis bleibt. Dabei wechselt sie geschickt zwischen verschiedenen Erzählperspektiven und -ebenen, was dem Werk zusätzlichen Reiz verleiht.
Insgesamt ist „Im Menschen muss alles herrlich sein“ ein beeindruckendes Werk, das ein breit gefächertes Publikum ansprechen dürfte. Vor allem Leser, die sich für Geschichten über Umbrüche und Identität interessieren, werden von diesem Roman begeistert sein.
Sasha Marianna Salzmann wurde 1985 in Wolgograd geboren und ist eine deutsche Schriftstellerin und Theaterregisseurin mit jüdisch-russischen Wurzeln. Sie studierte Theaterregie und lebt heute in Berlin. Salzmanns erster Roman „Außer sich“ wurde 2017 mit dem Klaus-Michael Kühne-Preis ausgezeichnet und war für den Deutschen Buchpreis nominiert. Mit „Im Menschen muss alles herrlich sein“ hat sie erneut bewiesen, dass sie zu den wichtigsten Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur gehört.